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zusammenLeben ohne Gewalt

Gewalt an / unter Männern

Männer als Täter

In der Prävalenzstudie 2011, in der die Gewalterfahrungen von Frauen und Männern untersucht wurden, wurde auch nach der eigenen Täterrolle bei psychischen, physischen und sexuellen Gewalthandlungen gefragt.

Psychische Gewalt

Analog zu den Gewalterfahrungen aus Opfer-Perspektive ist psychische Gewalt am meisten prävalent: Etwa 95 % haben seit ihrem 16. Lebensjahr mindestens eine Form der psychischen Gewalt angewendet. Diese wird am häufigsten in Form von „wiederholten Beleidigungen, Einschüchterungen oder in aggressivem Anschreien” ausgeübt. Beide Geschlechter gaben dies gleich häufig an.

Physische Gewalt

Körperlich gewalttätig werden nach eigenen Aussagen etwa 60 % der erwachsenen Österreicher/innen - diese Anteile sind ähnlich jenen der selbst erlittenen Gewalterfahrungen. Widersprüchlich ist allerdings, dass Männer und Frauen mehr Gewalt durch Männer berichtet haben, während Männer nicht häufiger eine eigene Täterschaft bei körperlicher Gewalt angeben als Frauen.

Am weitesten verbreitet ist die körperliche Gewalt als „absichtliches Wegstoßen” und als „leichte Ohrfeige”, und zwar bei beiden Geschlechtern. Diese beiden Situationen wurden auch aus der Opfer-Perspektive am häufigsten erlebt.

Lebensbedrohliche Gewaltanwendungen (z. B. Morddrohungen) wurden von kaum jemandem genannt.

Die Auswertungen zeigen außerdem, dass körperliche Gewalt vor allem auf Kinder gerichtet ist. Es bestätigt sich damit in den Täterschafts-Angaben, was auch in den Angaben zur Viktimisierung berichtet wurde: dass körperliche Gewalt sich am häufigsten gegen Kinder richtet. Mehr Personen berichten von körperlichen Gewalterfahrungen in der Kindheit als von solchen seit ihrem 16. Lebensjahr.

Sexuelle Gewalt

Sexuelle belästigt zu haben, gaben nur 9 % der Männer und 2 % der Frauen zu; d.h. es wird weitaus weniger von eigener Täterschaft als von Opfer-Erfahrungen berichtet. Männer sind nach eigener Aussage eher Täter als Frauen; sie geben vor allem das „Hinterherpfeifen” an (7 %).

Die Prävalenz der Täterschaft von sexueller Gewalt ist nicht repräsentativ für alle Befragten zu eruieren, sondern bildet nur das Vorkommen unter jenen ab, die selbst Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Für jene gilt: Die große Mehrheit der Opfer gab an, selbst „nie” sexuell gewalttätig geworden zu sein (Männer 61,9 %; Frauen 80,4 %). Das heißt aber umgekehrt, dass mehr als jeder dritte Mann und jede fünfte Frau, die Opfer sexueller Gewalt waren, angegeben haben, mindestens einmal selbst zum Täter/zur Täterin sexueller Gewalt geworden zu sein.

Alter und Bildungsniveau

Unterschiede nach Alter und Bildungsniveau gibt es vor allem im Bereich der körperlichen Gewalt: So zeigt sich beim männlichen Sample ein Rückgang der körperlichen Gewaltanwendung in der mittleren Alterskategorie (31 bis 40 Jahre).

Außerdem ist für alle Befragten deutlich erkennbar, dass die Angaben der Täterschaft von physischer Gewalt mit steigendem Bildungsniveau abnehmen. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen – es kann allerdings auch mit sozial erwünschtem Antwortverhalten bei den höher Gebildeten in Zusammenhang stehen.

Wissenschaftliche Herausforderung

Die Autor/innen der Prävalenzstudie sehen die Angaben über die eigene Täterschaft als wissenschaftliche Herausforderung. Die quantitative Herangehensweise in dem stark tabuisierten Gebiet lieferte teilweise widersprüchliche Ergebnisse:

So berichten Frauen und Männer stärker von männlichen Tätern, Männer geben aber in geringerem Ausmaß eine eigene Täterschaft an, als dies Frauen tun. Weiter schätzen Männer ihre faktische Gewaltbereitschaft geringer als Frauen ein.

Dazu gibt es unterschiedliche Interpretationen: Einerseits könnten Männer bei den Angaben der eigenen Täterschaft sozial erwünschter antworten, Frauen wiederum die eigene Täterschaft sensibler reflektieren und die eigene Beteiligung (oftmals als „Mitschuld”) angeben. Andererseits könnte Männern die Darlegung der eigenen Opfererfahrungen dadurch erschwert werden, dass diese mit dem gesellschaftlich vorherrschenden männlichen Rollenbild nicht übereinstimmen bzw. dieses Thema bisher auch weniger thematisiert wurde.

Gesellschaftliche Reaktionen

Dass auch Männer durch ihre Partnerinnen Gewalt erfahren, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Konsequenzen der Übergriffe für weibliche Opfer überwiegend gravierender sind als für männliche Opfer und dass weibliche Opfer zumeist schwerer verletzt werden als männliche Betroffene. Dass Gewalt gegen Männer existiert, rechtfertigt keinesfalls, Gewalt gegen Frauen und die Bedeutung öffentlicher Hilfen für Frauen zu bagatellisieren.

Neben dem Strafgesetz und den Gewaltschutzgesetzen, die die rechtlichen Voraussetzungen für einen raschen und effizienten Schutz von Opfern häuslicher Gewalt abgeben, zahlreichen Opferschutzeinrichtungen und Beratungsstellen in ganz Österreich, werden auch Täterarbeitsprogramme zum Schutz vor weiterer Gewalt eingesetzt.

Literatur

  • [1] Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien: Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld. Österreichische Prävalenzstudie zur Gewalt an Frauen und Männern Wien, 2011
    PDF, 29 MB
  • [2] Haller, Birgitt / Kraus, Heinrich: Gewalt in der Familie – Partnergewalt und Gewalt in sozialen Nahebeziehungen. In: BMWFJ (Hg.), 5. Familienbericht 1999-2009, Wien, 2010
    PDF, 6 MB
  • [3] BMSG (Hg.): Gewalt in der Familie. Gewaltbericht 2001. Von der Enttabuisierung zur Professionalisierung. Teil 3: Gewalt gegen Männer Wien, 2001
    Der Gewaltbericht befasst sich mit der alltäglichen Gewalt in familiären Beziehungen und im sozialen Nahraum.
    PDF, 126 kB
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