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zusammenLeben ohne Gewalt

Fachwissen

Ursachen von Gewalt

Weil immer verschiedene Faktoren und deren Zusammenspiel zu gewalttätigem Verhalten beitragen, gibt es keine eindimensionalen Erklärungsmuster.

Erklärungsansätze

Die Antworten auf die Frage, warum es überhaupt zu Gewalt in der Familie/im sozialen Nahraum kommt, wer unter welchen Umständen gegen wen in welcher Form Gewalt ausübt, sind unterschiedlich – je nach gewähltem Erklärungsmodell und dem zu Grunde gelegten ideologischen Zugang. Im Folgenden wird ein gestraffter Überblick über die wichtigsten Erklärungsmodelle gegeben, wie sie im Gewaltbericht 2001 zusammengefasst wurden:

Personenzentrierte Theorien

Psychopathologische Ansätze sehen die Ursachen für Gewalt in der Familie in den individuellen Eigenschaften von Menschen begründet. Sie sehen Gewalt in der Familie als Folge von charakterlichen Auffälligkeiten, Persönlichkeitsstörungen und Intelligenzdefiziten der Täter/innen.

Kritik:

  • Es ist bisher kein überzeugender Nachweis erbracht worden, dass Gewalt in der Familie allein auf besondere Persönlichkeitsmerkmale oder Persönlichkeitsstörungen zurück zu führen ist.
  • Die psychopathologischen Erkenntnisse stimmen nicht mit sozialwissenschaftlichen Forschungsresultaten überein, welche die Durchschnittlichkeit der Täter/innen mehrfach nachweisen konnten.
  • Gewalt in der Familie ist zu weit verbreitet, um als Folge unklarer Psychopathien und psychiatrischer Krankheitsbilder betrachtet werden zu können.
  • Diese Theorien sprechen die Täter/innen von ihrer Verantwortung frei und lasten sie den Opfern an.

Sozialpsychologische Theorien

Die Ursachen für Gewalt in der Familie liegen bei externen Faktoren, die auf die Familie und die einzelnen Mitglieder einwirken.

Soziale Lerntheorien 

Soziale Lerntheorien gehen davon aus, dass Menschen, bedingt durch Kindheitserfahrungen, in die Anwendung von Gewalt eingeübt werden. Gewalttätigkeit gilt somit als erlerntes Verhalten.

Die Ergebnisse der Prävalenzstudie 2011 legen auch nahe, dass Gewalterfahrungen in der Kindheit das Risiko erhöhen, auch im Erwachsenenalter schwere Gewalt zu erfahren.

Kritik:

  • Dieser Ansatz konzentriert sich ausschließlich auf beobachtbares Verhalten und lässt die komplexe Vielfalt der menschlichen Existenz außer Acht.

Stresstheorien

Stresstheorien gehen davon aus, dass Gewalt durch bestimmte Formen stresshafter Belastungen ausgelöst wird. Je mehr Ereignisse oder Situationen die Familie belasten, desto wahrscheinlicher sind Gewalthandlungen.

Kritik:

  • Frauen sind häufig noch mehr Stressfaktoren ausgesetzt als Männer, doch wenden sie weniger oft Gewalt an.
  • Es lässt sich kein einfacher Ursache-Wirkungszusammenhang auf Grund von objektiven Stressfaktoren ableiten.

Soziostrukturelle und soziokulturelle Theorien

In diesen Modellen wird die individuelle Gewalt in Verbindung mit sozialen Strukturen und kulturellen Normen und Werten gesehen. Teilweise werden hier auch personenzentrierte und sozialpsychologische Erklärungen mit einbezogen.

Ressourcentheoretische Ansätze 

Ressourcentheoretische Ansätze und Theorien zur Statusinkonsistenz gehen davon aus, dass Individuen oder Gruppen bestimmte Mittel einsetzen, um individuelle oder gruppenspezifische Ziele durchzusetzen.

Auf die Familie umgelegt bedeutet dies, dass Gewalt ein Mittel zur Aufrechterhaltung von Rollen und Strukturen innerhalb der Familie ist. Zu Gewalthandlungen kommt es dann, wenn das Familienmitglied mit einer übergeordneten Position seine/ihre Rolle bedroht sieht, wenn sein/ihr Status in Frage gestellt wird.

Kritik:

  • Diese Ansätze werden von feministischer Seite in Frage gestellt, da sie die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit von Frauen als Risikofaktor für Gewalttätigkeit seitens des Partners übersehen.

Systemtheoretische Ansätze

Systemtheoretische Ansätze betrachten Familie als System, das sich durch Grenzen, die offen oder geschlossen sein können, von der Umwelt unterscheidet. Gewalt in Familien ist ein Produkt des sozialen Austausches. Die Entwicklung von Gewalt wird dadurch beeinflusst, wie innerhalb und/oder außerhalb des Systems Familie auf Gewaltakte reagiert wird.

Kritik:

  • Die Thesen konnten bis dato noch nicht empirisch überprüft werden.

Feministische und patriarchatskritische Ansätze

Feministische und patriarchatskritische Ansätze definieren physische und sexuelle Gewalttätigkeit von Männern als brutalsten und deutlichsten Ausdruck patriarchaler Gesellschaftsstrukturen und ungleicher Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern.

Der Begriff Gewalt „in der Familie“ wird abgelehnt, da er suggeriert, dass Gewalt von allen Familienmitgliedern potenziell in gleicher Weise ausgeübt wird.

Nach diesem Ansatz ist Gewalt an Frauen eine vorhersagbare und allgemein verbreitete Dimension des normalen Familienlebens. Gewalt gegen Frauen ist eng verbunden mit der historischen Entwicklung der isolierten Kernfamilie in kapitalistischen Gesellschaften, der Teilung der Gesellschaft in öffentliche und private Bereiche, der Entwicklung von Frauen- und Männerrollen und der noch immer anzutreffenden Stellung von Frauen als rechtlich und moralisch an den Ehemann gebundene Personen.

Kritik:

  • Die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte sind zu wenig berücksichtigt.
  • Die zunehmende Gleichstellung von Frauen, Kindern und Jugendlichen bleibt ausgeklammert.

Literatur