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Cybermobbing

Expertenstimme

Christian Mayer

Mag. Christian Mayer

Christian Mayer

Cybermobbing in der Männer- und Jugendberatung

Mobbing war für uns, die wir in der Männerberatung arbeiten, immer schon eines der wichtigsten Themen. Sei es, dass Männer als Mobbingtäter zu uns kamen oder Männer Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz geworden sind. Cybermobbing ist für uns in dieser momentanen Breitenwirkung neu. Das Leben von Jugendlichen spielt sich auch in der Online-Welt ab. Ein junger Mensch muss sich dort behaupten und seine Identität erschaffen und pflegen. Die Auswirkungen des Online-Lebens haben natürlich Auswirkungen auf das Offline-Leben. In diesem Spannungsfeld kommen verstärkt junge Burschen zu uns in die Beratungsstellen und suchen Hilfe.

Mobbing über soziale Netzwerke - ein Beispiel aus der Beratung

Eine Mutter ruft in der Beratungsstelle an und schildert, wie ihr Sohn (13) in der 3. Klasse eines  Gymnasiums gemobbt wird. Ein Termin wird vereinbart und das Opfer kommt in Begleitung des Vaters in die Beratungsstelle. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass sich das Mobben des Opfers ausschließlich im Internet und hier vor allem im Netzwerk Facebook darstellt. Alle KlassenkollegInnen (24) sind auf Facebook  präsent und wissen, worum es geht. Von den vielen Tätern kristallisieren sich drei Haupttäter heraus, wobei einer unvorteilhafte Fotos des Opfers hinein gestellt hat, ein anderer ein Video, das im Unterricht gedreht wurde. Dazu gehört auch ein Mädchen, das eine eigene Facebookgruppe mit dem Namen des Opfers gegründet hat, wo jeder Beiträge eintragen kann.

Sofortiger Stopp und Opferschutz

Im ersten Gespräch wurden die primären Schritte abgeklärt, um das Opfer so schnell als möglich zu schützen. Das Wichtigste dabei ist der sofortige Stopp des Cybermobbings. In diesem konkreten Fall waren die Eltern schon sehr aktiv. Die Fotos, das Video und die Facebookgruppe wurden entfernt. Der Klassenvorstand wusste bereits Bescheid und hatte schon ein Gespräch mit seiner Klasse und den Haupttätern. Die Direktion und die Klassenlehrer wurden zum Teil über die Eltern als auch über den Klassenvorstand informiert. Ebenso wurden die Eltern der Haupttäter kontaktiert und zu einem Gespräch in die Schule eingeladen.

Die meisten Websites und Online-Anbieter geben von sich aus die Möglichkeit, bestimmte Personen zu sperren, wenn Bildmaterial gegen den Willen des Opfers verwendet wird.

Handlungsalternativen herausarbeiten

Für den Klienten ist es wichtig herauszufinden, was er konkret als Opfer in der Klasse tun kann. Häufig ist es nicht möglich, die Klasse zu wechseln und so muss er sich mit dem Geschehenen  und den Tätern auseinandersetzen. Hier geht es in der Beratungsarbeit um viel Stützung und Stärkung des Selbstwertgefühls.

Dem Opfer muss zuallererst vermittelt werden, dass es nicht allein ist und dass ein Opfer nicht Inaktiv bleiben muss. Jeder, der Mobbing erfährt, und insbesondere Cybermobbing, kann sich mit fairen Mitteln wehren, ohne selbst vom Opfer zum Täter zu werden!

Im Beratungsfall des 13 Jährigen ging es darum, dass er konkret die Haupttäter ansprach und sie damit konfrontierte, was sie über ihn ins Netz gestellt und geschrieben hatten. Es ist gut, wenn ein Opfer Kopien von diesen unangenehmen Nachrichten erstellt, um Beweise in der Hand zu haben. Es ist die falsche Strategie, auf diese Dinge im Netz direkt zu antworten, weil der/die Täter genau das wollen.

Stärkung des Opfers durch rechtliche Information

Mobbing an sich ist nicht neu. Aber die Dimensionen des Cybermobbing, das sich im „virtuellen Raum“ abspielt, ist ein noch relativ neues Phänomen, das in seiner Brutalität und schnellen Verbreitung immer noch sehr überraschend ist und vor allem kein Kavaliersdelikt darstellt.

In der  Arbeit mit betroffenen Klienten fällt ein Informationsmangel über den rechtlichen Schutz und die Konsequenzen beim Übertreten der Gesetze auf. Vielen ist nicht klar, dass Cybermobbing gerichtlich geahndet wird.

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen: Nötigung (§ 105 StGB), Beharrliche Verfolgung (§ 107a StGB) „Anti-Stalking-Gesetz“, Üble Nachrede (§ 111 StGB), Beleidigung (§ 115 StGB), Datenbeschädigung (§ 126a StGB), Kreditschädigung (§ 152 StGB), Pornografische Darstellungen Minderjähriger (§ 207a StGB), Verleumdung (§ 297 StGB), Urheberrechtsgesetz (UrhG), Mediengesetz, Jugendschutzgesetz. (vgl. „Aktiv gegen Cybermobbing“ Broschüre des BMUKK)

Die richtige Information über meinen Schutz und die Konsequenzen über die Folgen für die Täter können viel dazu beitragen, dass das Opfer sich wieder sicher fühlen kann und nicht tatenlos dieser Bedrohung ausgeliefert ist.

Reflexion und Erkennen - Weiterführende Beratungsinhalte

Wichtig für die Aufarbeitung des Geschehenen ist die Frage, wie es dazu kam, dass das Opfer als solches ausgewählt wurde?

Es geht um genaues Hinschauen der vergangenen Abläufe und ein mögliches Erkennen von Versäumnissen des Opfers. Im Nachhinein kann für den Gemobbten  klarwerden, an welchen Stellen er sich bereits aktiv wehren können hätte. War es die Scham, war es die Flucht oder das Ignorieren von Tatsachen, das es ihn blind hat werden lassen, für das, was um ihn herum geschieht? Cybermobbing passiert sehr schnell. Die Grenze zwischen Blödeln und Hänseleien und dem z.B. bewussten Verbreiten von Unwahrheiten ist sehr schmal. Diese Rückschau kann durchaus schmerzlich für das Opfer sein. Es ermöglicht ihm aber für eine weitere Attacke gerüstet und vorbereitet zu sein.

Die Beratungsstellen bieten in ihren Räumlichkeiten einen geschützten Rahmen für ein offenes und sensibles Arbeiten mit den Klienten.

In einem konkreten Beispielfall war der Bursche durch seine besonders herausragenden Schulleistungen Außenseiter in der Klasse. Er war in allen Fächer auf Sehr Gut und zeigte seine Leistungen mit Stolz in der Klasse. Die meisten LehrerInnen schätzten ihn natürlich aufgrund der hervorragenden Mitarbeit und seinen großen Vorkenntnissen. Nur im Sport war er durchschnittlich und konnte aufgrund seines zarten Körperbaus mit den fußballerischen Fähigkeiten der Klassenkameraden nicht mithalten. In diesem Fach fehlte er oft.

Der Jugendliche fiel in der Beratung sofort durch seine Rhetorik auf. Er hatte sich bereits ein umfangreiches theoretisches Wissen angeeignet, wie man sich als Mobbingopfer verhalten soll.

Vermeintliche Ausweglosigkeit?

In der Beratung wurde nun sein Verhalten gespiegelt und ihm so die Chance gegeben, sich einmal von außen, mit den Augen der Klasse zu betrachten. Es wurde ihm in einem geschützten Rahmen die Möglichkeit geboten, mit Hilfe von Rollenspielen sich in verschiedene Klassenkameraden zu versetzen und andere Blickwinkel einzunehmen. 

So konnten in unterschiedlichen Spielsituationen positive Handlungsstrategien für ihn herausgearbeitet werden.

Die Mobbinggeschichte

Um ein Opfer ernst nehmen zu können, gilt es seine Biographie ernst zu nehmen. In der Anamnese wird die Leidensgeschichte des  Mobbingopfers zu Tage gebracht.

Wie lange geht das schon so? Wann und mit welchem Erlebnis begann es?
Wie habe ich als Opfer darauf reagiert? Wer wusste noch davon? Wie wurde bereits gemobbt? Mit Fotos auf der virtuellen Pinwand von sozialen Netzwerken, mit Videos, SMS, über Messenger?

Veränderung und Ausweg

Ein anderer Klient hatte bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich, die schon in der Volksschule begann. Er kam erst unter dem Schuljahr in die dritte Klasse Volksschule, nachdem seine Familie nach Tirol übersiedelt war. In dieser Klasse konnte er nie richtig Fuß fassen und war immer schon aufgrund seiner fehlenden Dialektsprache Außenseiter. Es schien, als hätte er die Außenseiterrolle schon so sehr internalisiert, dass es für ihn keinen Handlungsspielraum mehr gab. Mit zunehmendem Alter der Klassenkameraden wurde das Mobbing in das Internet verlagert und die Situation wurde immer bedrohlicher und zog weite Kreise. Auch hier konnte durch Intervention der Beratungsstelle geholfen werden. Die Eltern, die sich um Hilfe umsahen, wurden mit ihrem Sohn in die Männerberatung verwiesen. Hier bekamen zuerst die Eltern die Chance sich über das ganze Ausmaß und die Dimension von Cybermobbing zu informieren.  Als nächstes wurde auch hier über die Schule ein Ende des Online-Mobbings erwirkt und dem Opfer den nötigen Schutz gewährt.

Vom passiven Opfer zum Helfer für andere!

Von einem anderen Beratungsklienten wissen wir, wie  die Rollen vom Mobbingopfer zum Täter, aber auch vom Täter zum Helfer wechseln können.

Dieser Klient, ein Schüler einer höheren Schule, war in der Hauptschule den Gemeinheiten der Klasse ausgeliefert. Mit dem Wechsel in eine höhere Schule mit völlig neuen Klassenkameraden kam er in eine neue Position und wurde nach den ersten Schulwochen sehr bald zum Meinungsbildner in seiner Klasse. Ein Außenseiter wurde bald gefunden und er konnte zusehen, wie sich seine Geschichte an dem neuen Opfer wiederholte. Da alle Klassenkameraden Mitglied bei Facebook waren, war es leicht die anderen teilhaben, bzw. als Mittäter agieren zu lassen. Nachdem der Klassenvorstand interveniert hatte und es zu einem klärenden Gespräch mit der Klasse gekommen war, outete sich der Täter als früheres Mobbingopfer. Er erzählte seine Mobbingerlebnisse und versprach von nun an den Außenseiter in Ruhe zu lassen. Durch weitere Gespräche mit ihm konnte er seine dominante Rolle behaupten und sie positiv, ohne dass er deswegen jemanden zum Außenseiter machte,  für das Klassenklima einsetzen.

Appell und Ausblick

In der Beratung kann man sowohl Opfer in ihrem Selbstwert bestärken als auch Täter. Ein Täter kann erkennen, dass er seine Stärken nicht mehr missbrauchen muss, um sich seinen Platz zu erkämpfen, sondern sie einsetzen kann, um Schwächeren zu helfen, und dabei nichts an Stärke verliert, sondern nur gewinnen kann.

Ein Opfer kann gestärkt werden, dass es sofort Belästigungen meldet, sie nicht schluckt und verdrängt und so auch anderen Mut macht, sich nichts in der Klasse und im virtuellen Raum gefallen zu lassen. Die Beleidigungen hören auf, wenn die Beteiligten merken, dass das Opfer nicht alleingelassen ist! Die Männerberatungsstellen werden in Zukunft viel mit der Thematik Cybermobbing zu tun haben. Ständige Weiter- und Fortbildung ist für die Berater nötig, aber ebenso für Unterrichtende an allen Schultypen.


Mag. Christian Mayer, Pädagoge, Logotherapeut und existenzanalytischer Berater, Männerberatung Mannsbilder


Literatur

  • [1] CH@dvice - Handbuch für Pädagog/innen: Sex und Gewalt in digitalen Medien. Prävention, Hilfe & Beratung
    Das Handbuch gibt es zum direkten Download und kann im Saferinternet.at- Broschürenservice als Printversion bestellt werden.

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