Thema des Monats
Genitalverstümmelung
Laut Unicef leben weltweit etwa 150 Millionen Mädchen und Frauen, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden. Jedes Jahr werden erneut an die drei Millionen Mädchen Opfer dieser Praktik: das sind 8.000 jeden Tag!
Genitalverstümmelung, oder Female Genital Mutilation (FGM), wie der Fachausdruck heißt, ist ein in vielen afrikanischen Kulturen gepflogener Brauch. Durch die weltumspannende Migration wird FGM auch im Mittleren Osten, in Asien und Europa zum Thema: In Europa werden etwa 500.000 Opfer geschätzt, in Österreich leben gemäß einer Schätzung der UN-Sonderbotschafterin Waris Dirie ca. 6 - 8.000 betroffene Frauen.
Die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsorgane (Entfernung der Klitoris, zunähen der Schamlippen, …) wird mit Tradition und kultureller Identität gerechtfertigt. Meist um die Pubertät herum wird FGM als Initiationsritus praktiziert, damit ein Mädchen als heiratsfähig gelten kann. Obwohl FGM mit religiösen Verpflichtungen und Traditionen begründet wird, befürwortet oder fördert keine Religion FGM.
FGM ist eine Form von Gewalt
FGM ist eine Form von Gewalt an Mädchen und Frauen. Sie verletzt Menschenrechte, nämlich das Recht auf…
- körperliche und geistige Integrität
- höchstmöglichen Standard der Gesundheit
- Freiheit von Diskriminierung und Gewalt an Frauen
- Freiheit von Folter, Grausamkeiten und unmenschliche herabwürdigende Behandlung
Genitalverstümmelung verletzt also wie andere Formen von "schädlichen traditionsbedingten Bräuchen" (Zwangsheirat und so genannte Ehrenmorde) Kinderrechte.
Im Artikel 24 (3) der Kinderrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, mit wirksamen und geeigneten Maßnahmen überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen. In Österreich ist Genitalverstümmelung strafbar.
Genitalienverstümmelung (FGM) ist strafbar
In Österreich gilt die Durchführung weiblicher Genitalverstümmelung als Körperverletzung und ist in der Regel als absichtliche Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen strafbar.
Das bedeutet, dass weder Eltern für ihre Kinder, noch eine volljährige Frau für sich selbst mit strafbefreiender Wirkung in die Genitalverstümmelung einwilligen kann. Der Täter wird in jedem Fall (also auch mit "Einwilligung" des Opfers) für derartige Eingriffe strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Strafbar machen sich nicht nur Ärzte oder Ärztinnen, die den Eingriff durchführen (schwerwiegender Verstoß gegen die im Ärztegesetz normierten ärztlichen Berufspflichten), sondern auch die Eltern bzw. Obsorgeberechtigten, die FGM an ihrer Tochter vornehmen lassen.
Exterritoriale Strafbarkeit
Seit 1.1.2012 (Strafgesetznovelle 2011) wurde die extraterritoriale Strafbarkeit ausgeweitet. War bisher eine Strafbarkeit in Österreich für im Ausland begangene Taten, die im anderen Land nicht strafbar sind, nur in bestimmten Fällen - u.a. dann, wenn sowohl die Täter/innen als auch die Opfer Österreicher/innen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland waren - gegeben, so ist die Tat nunmehr auch dann strafbar, wenn Täter oder Opfer in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben ohne österreichische Staatsbürger zu sein (§ 64 Abs. 1 Z 4a StGB).
Selbstverständlich ist die Tat auch dann in Österreich strafbar, wenn nur ein Teil der Tathandlung im Inland gesetzt wurde oder wenn die Eltern des Opfers den unmittelbaren Täter (also diejenige Person, die die Genitalverstümmelung letztlich vornimmt) von Österreich aus zur Tat bestimmen oder hier einen sonstigen Tatbeitrag leisten.
Bewusstsein und Wissen ist wichtig
Wichtig ist demnach, darüber zu reden, Bewusstsein zu schärfen, Mädchen migrantischer Herkunft durch Bildung stärken, die Integration von Familien mit Migrationshintergrund fördern, Meinungsbildner in den Migrationsgemeinschaften für die Prävention gewinnen, Beratungsstellen bekannt machen …
Ärzt/innen und religiöse Autoritäten sind wichtige Partner/innen im Kampf gegen FGM
FGM sollte in Aus- und Fortbildungsangebote für medizinische Berufsgruppen aufgenommen werden, weil diese mit mehr Wissen besser reagieren können.
Auch Männer und religiöse Autoritäten sollten in die Information und kultursensible Beratung einbezogen werden. Dabei müssen der Respekt vor der Kultur und Tradition und die Werte der Kultur im Aufnahmeland - also die Gleichberechtigung der Frau in sozialer, ökonomischer und kultureller Hinsicht - gleichermaßen vermittelt werden.
Meltem Weiland von der Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen ORIENT EXPRESS hält in ihrer Expertinnenstimme Genitalverstümmelung - eine Gewaltform, die Mädchen schon im Babyalter treffen kann! ein Plädoyer für breite Aufklärung zum Schutze von Mädchen und Frauen.