THEMEN 2016
Dachverband für Männerarbeit in Österreich

Mag. Dr. Erich Lehner
Expertenstimme
Mag. Dr. Erich Lehner
Im Jänner 2016 wurde der Dachverband für die Männer-, Burschen- und Väterarbeit in Österreich gegründet. Die Arbeitsgemeinschaft der Männerberatungen und Männerbüros Österreichs (AMÖ) diente bisher als Plattform, in der sich die in der Männerarbeit und -beratung tätigen Institutionen regelmäßig zu einem Fachaustausch und zu Vernetzungsgesprächen trafen.
Neben dem Fachaustausch wurde aber zunehmend die Notwendigkeit eines politischen Lobbying zu Männerfragen erkennbar. So wurde auf ihre Initiative hin ein Expert_innen-Team unter der Leitung von Markus Theunert, dem ehemaligen Leiter von männer.ch gebildet, das die ideellen, strukturellen und finanziellen Voraussetzungen für die Gründung des Dachverbandes erarbeiten sollte. Die Finanzierung erfolgt über die männerpolitische Grundsatzabteilung im Sozialministerium.
Ziele des DMÖs
Mit der Gründung des Dachverbandes wurden drei Ziele verfolgt.
- Zum einen möchte der Dachverband ein politisches Sprachrohr für Fragen um Männlichkeit sein.
- Das zweite wichtige Anliegen sind die Vernetzung und Qualitätssicherung. Er möchte Interessierten einen Rahmen bieten um ihre Erfahrungen aus der Arbeit mit den Anliegen von Männern auszutauschen und die Angebote für Männer zu verbessern.
- Schließlich kann der Dachverband auch als Träger für Projekte in Österreich und auch als Partner für EU-Projekte auftreten.
Mitgliedschaft beim DMÖ
Der Dachverband hat derzeit 15 Mitgliedsorganisationen, die auf der Website des DMÖ zu finden sind. Der DMÖ möchte verstärkt neue Mitglieder ansprechen. Dabei wendet er sich an Bildungseinrichtungen ebenso wie an einzelne Männertherapeuten oder Fachstellen für Väterarbeit. Er richtet sich auch an engagierte Initiativen, die spezifische Angebote für Männer bereitstellen.
Der Dachverband möchte mit seinen Mitgliedern tatsächlich die gesamte Bandbreite der Männerarbeit, Männerberatung und Männerbildung in Österreich abbilden und Männerfragen eine starke politische Stimme geben. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist die Unterstützung der Ziele des DMÖ und seiner „dreifachen Anwaltschaft".
Philosophie des DMÖs
Die „dreifache Anwaltschaft" ist Folge des Grundanliegens des Dachverbandes. Er möchte einen Beitrag zu Geschlechtergerechtigkeit liefern. Dabei betrachtet er die „geschlechtsbezogenen Privilegien" von Männern ebenso wie die „Kosten von Männlichkeit", also den Nachteilen, die sich aus ihrer Geschlechterrolle für sie ergeben, und nimmt in seinen Überlegungen gleichzeitig auch die Ungleichheiten unter Männern auf. Er sieht es als seine Aufgabe, strukturelle männliche Bevorzugungen in einer patriarchalen Gesellschaft sichtbar zu machen und kritisch zu reflektieren – und gleichzeitig auch Benachteiligungen von Männern aufzuzeigen und zu bearbeiten.
Der Dachverband und seine Mitglieder verpflichten sich damit zu einer dreifachen Anwaltschaftlichkeit:
- Erstens ist der DMÖ Sprachrohr für Verletzlichkeiten, Anliegen und Potenziale von Buben, Männern und Vätern – auch für bisher sprachlose.
- Zweitens ist er Unterstützer sowie Kooperationspartner für Frauen und ihre Rechte, Anliegen und Organisationen.
- Drittens ist er Engagierter in einer Allianz für Geschlechtervielfalt und soziale Gerechtigkeit. Zwei eigens eingerichtete Positionen im Vorstand sollen diesen Anliegen verstärkt Wirkung verschaffen. Ein Vorstandsmitglied ist beauftragt sich explizit um die Kooperation mit Frauenverbänden zu kümmern, und ein weiteres ist Sprecherin der Vielfalt von „Männlichkeiten".
Arbeitsschwerpunkte
Als erstes Arbeitsprogramm hat sich der Dachverband fünf thematische Schwerpunkte vorgenommen (vgl. dmoe-info.at). Diese sind:
- Arbeit,
- Väterarbeit,
- Bildung,
- Männergesundheit, und
- Gewalt.
Im Themenbereich Arbeit engagiert sich der Dachverband für den Ausstieg aus Ernährerfallen und für eine balancierte und faire Verteilung von Arbeit und Ressourcen. Für Väter möchte er eine größtmögliche väterliche Präsenz in der Familie erreichen. Im Bereich Gesundheit möchte er sich für Selbstsorge unter Männern und für Alternativen zu traditionellen Männlichkeitsentwürfen einsetzen. Schließlich unterstützt er im Bereich Bildung gendersensible Zugänge, die die Diversität von Burschen und Mädchen berücksichtigen.
Arbeitsschwerpunkt „Gewalt"
Viele Mitgliedsorganisationen haben langjährige Erfahrung im Umgang mit männlicher Gewalt. Eine im DMÖ eigens dafür eingerichtete Arbeitsgruppe spiegelt die große Bedeutung, die diese Thematik für den Dachverband hat, wieder.
Statistiken zeigen deutlich, dass Gewalttaten besonders häufig von Männern begangen werden. Gewalt zieht Leid für die Betroffenen nach sich. Die meisten Betroffenen von Männergewalt sind im häuslichen Bereich Frauen und Kinder, im öffentlichen Bereich andere Männer. Dennoch werden Gender-Aspekte bei Gewalt sehr oft geleugnet und sogar abgestritten.
Darüber hinaus bestimmen häufig nur bestimmte Bilder von Tätern und Taten die öffentliche Wahrnehmung. Mit „Tätern" werden sehr schnell sozial benachteiligte Männer assoziiert, mit niedrigem Bildungsabschluss, Migrationsgeschichte, in der Stadt lebend etc. Andere Gewaltformen und Konstellationen von Betroffenen und Tätern werden damit unsichtbar gemacht. Deshalb möchte sich der Dachverband im Bereich der Gewalt für folgende Ziele einsetzten:
- Der Zusammenhang von Geschlecht, gesellschaftlicher Position und Gewalt muss in seinen vielen Facetten betrachtet werden. Dabei gilt es insbesondere, den Einfluss von Männerbildern und Vorstellungen von „Mann Sein" auf die Betroffenen- und Täter-Positionen zu berücksichtigen. Hier wird Forschung und eine davon abgeleitete Praxis benötigt, im Bereich der psychosozialen Angebote, Bildungsarbeit, Medienarbeit, etc.
- Positive gewaltfreie Bilder von Männlichkeit und Öffentlichkeitsarbeit mit breiter Wirkung.
- Das Bild männlicher Betroffenheit von – insbesondere sexualisierter – Gewalt ist im öffentlichen Bewusstsein noch nicht angekommen. Es gilt daher, die Öffentlichkeit in verstärktem Maße auf diese ungewohnten Zusammenhänge von Gewalt und Geschlecht aufmerksam zu machen.
- Für Männer, die Täter werden, sind ausreichend Angebote für psychosoziale Interventionen sowie Männerberatungsstellen einzurichten, um einen Beitrag zur Gewaltprävention und zum Opferschutz zu leisten.
- Für Männer, die Gewaltwiderfahrnissen in verschiedensten Formen ausgesetzt waren, bedarf es ebenso spezifischer Beratungs- und Therapieangebote, in denen Männer ernst genommen werden und offen und vertrauensvoll über ihre Erfahrungen und Erlebnisse sprechen können.
Der DMÖ war seit seiner Gründung vor allem damit beschäftigt eine Infrastruktur, wie die Errichtung eines Büros, das Erstellen einer Geschäftsordnung, etc. aufzubauen. Damit ist nun die Basis für zukünftige Männerarbeit gelegt. In ihr wird es zunächst darum gehen, sich national und international zu vernetzen, die Wissenschaft insbesondere die Ergebnisse der Frauen-, Geschlechter- und kritischen Männlichkeitsforschung mit der täglichen Praxis zu verbinden und mit den Mitgliedern gemeinsam tragfähige politische Positionen zu entwickeln. Damit will der DMÖ dazu beitragen, in Österreich ein Stück mehr Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen.