THEMEN 2017
Der lange Kampf um Gleichbehandlung

ARGE OÖ Frauenhäuser
Expertinnenstimme
Mag.a Katharina Gusenleitner
Vom Mittelalter in die Neuzeit
Bereits frühe mittelalterliche Quellen belegen ein patriarchales Gesellschaftssystem. Die Autorität über die Frau wechselte damals von ihrem Vater zu ihrem Ehemann: der Mann hatte die Gewalt über die in seinem Haushalt angehörigen Personen – insbesondere seiner Frau und Kinder – inne. Er konnte über das eheliche Vermögen verfügen, hatte das alleinige Scheidungsrecht, und besaß die Verfügungsgewalt über seine Ehefrau und ihre Sexualität.
Auch der Katholizismus prägte die Menschen im Mittelalter stark und hatte großen Einfluss auf deren Lebens- und Denkweisen. Den Gläubigen wurde ein äußerst unterwürfiges Frauenbild vermittelt.
Die Geschlechtsvormundschaft – wenn eine Frau ihre Rechte nicht in gleicher Weise wie ein Mann wahrnehmen kann – wurde erst zwischen Ende des 19. bis Ende des 20. Jahrhunderts gänzlich abgeschafft.
Damit war die Frau grundsätzlich allein geschäftsfähig. Besonders im städtischen Bereich kam es zu wesentlichen Besserstellungen der Frauen, was aber weniger dem fortschrittlichen Denken als der wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet war: die Arbeitskraft der Frauen wurde benötigt. Anders jedoch im ländlichen Bereich: hier arbeitete die Frau im bäuerlichen Betrieb des Ehemannes lediglich mit und konnte deshalb de facto keine wirtschaftliche Selbstständigkeit erlangen.
Früher Widerstand...
Die erste Emanzipationsbewegung belesener Frauen hatte ihren Beginn im 14. Jahrhundert. Sie setzte sich gegen das herrschende Frauenbild in der Gesellschaft ein und forderte Bildung auch für Frauen. Diese Bewegung fand ihren Ausdruck schriftlich, wobei Gegenschriften nicht lange auf sich warten ließen. Das Besondere an diesen Widerstandsbewegungen war, dass erstmals als unveränderbar (weil gottgewollte) geltende gesellschaftliche Werte hinterfragt wurden. Sie traten dafür ein, dass die gesellschaftliche Schlechterstellung nicht von der Natur vorgegeben oder gottgewollt wäre, sondern einzig und allein auf Erziehung, Gewohnheit, zufälligen Umständen und mangelnder Bildung beruhte.
... und späte Erfolge
Aber erst im späten 18. Jahrhundert entstanden in einigen europäischen Ländern revolutionäre Stimmungen, deren Protest sich nicht nur gegen Obrigkeiten richtete, sondern auch gegen die Ungleichbehandlung der Geschlechter, die durch die vermehrte Bildung von Frauen verringert werden sollte.
Im Rahmen der Französischen Revolution wurde erstmals die Unterordnung des weiblichen Geschlechts in Gesellschaft, Familie und Staat umfassend thematisiert.
Zum ersten Mal traten Frauen organisiert und in großem Ziel gemeinsam für die Durchsetzung ihrer Ziele und der Ziele der gesamten Bevölkerung auf, sie wurden sozusagen erstmals öffentlich politisch aktiv. Trotz aller noch bestehender rechtlicher wie tatsächlicher Unterschiede gab es durch die Revolution einige Fortschritte – nicht nur in Frankreich – zu verbuchen.
Erste Fortschritte in Österreich...
Anders als in Frankreich gab es in Österreich jedoch keine nennenswerten Frühfeministinnen. Erstmals richtig politisch aktiv wurden Frauen in Österreich erst während der Wiener Revolution 1848. Frauen taten sich erstmals für gemeinsame Ziele zusammen und traten öffentlich auf: der offizielle Beginn der Frauenbewegung in der österreichischen Geschichte. Beispiele für Forderungen der Frauenbewegung waren daher unter anderem: gleiches Recht auf Bildung, Recht auf Erwerb, Kampf um politische Rechte oder die Verstaatlichung der Ehe und das Aufzeigen der Schlechterstellung der Frau im ABGB.
... und erste Rückschritte
In Österreich machten die Zeiten des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus alle errungenen Fortschritte und Erfolge wieder zunichte. Das Frauenbild des Austrofaschismus war das der katholischen Hausfrau und Mutter, die Politik dieser Zeit sah ein Zurückdrängen der Frau aus dem Berufsleben vor.
Nach dem Anschluss 1938 existierte in Österreich als Land des dt. Reiches keine Verfassung mehr und somit natürlich auch kein Gleichheitsgrundsatz. Männern sollte als Überlegenen alle Herrschaftsfunktionen zukommen, für deutsche Frauen galt ein rasse-reines naturrechtliches Patriarchat. Als oberste weibliche Ideale galten bekanntlich Gebärfreudigkeit und Opferbereitschaft.
Zögerlicher Neuanfang in der Zweiten Republik
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges trat in Österreich wieder eine Verfassung in Kraft, die den Gleichheitssatz beinhaltete. Trotzdem herrschte in Geschlechterfragen ein großer gesellschaftlicher Rückstand bzw. eine Stagnation.
Die alten bekannten Strukturen wurden fortgelebt, zu echten, gravierenden Veränderungen kam es erst durch die sogenannte 68er-Bewegung und der „Neuen Frauenbewegung" (second wave feminism) aus den USA zu Beginn der 60er Jahre, die ganz klar forderten, dass Frauen über alle Bereiche ihres Lebens selbst bestimmen können müssen.
In Österreich zählen die Einschränkung der Strafbarkeit der Abtreibung durch die Fristenlösung und die Reform des Familienrechts zu den bedeutendsten rechtlichen Schritten, wenngleich die bloß formale Gleichstellung – Österreich unterzeichnete 1980 die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und ist damit völkerrechtlich zur faktischen Gleichstellung der Frau verpflichtet – wenig an der gesellschaftlichen, familiären und partnerschaftlichen Realität änderte.
Und heute?
Im Großen und Ganzen jedoch werden Frauen im rechtlichen Gefüge wahrgenommen und die Gesetzgebung orientiert sich auch nach deren Bedürfnissen. Gender Mainstreaming ist europarechtlich verankert und bedeutet, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen, um so die Gleichstellung durchzusetzen.
Frauen sind also in Österreich, Europa, den USA und noch vielen anderen Ländern größtenteils mit den gleichen Rechten ausgestattet wie Männer.
Doch die Wirklichkeit sieht – in diesen „fortschrittlichen" Ländern und erst recht international – anders aus. Die Diskriminierung von Frauen ist nicht aus unserem Alltag wegzudenken, sie zieht sich durch alle Lebensbereiche, alle Lebenswelten und durch alle gesellschaftlichen Schichten. Nur eine gleichgestellte und gleichberechtigte Welt vermag gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, kulturelle und menschliche Erfolge zu erzielen. Nur die Gleichstellung von Frauen und Männern wird uns vorankommen lassen.
Um es mit Johanna Dohnal, Österreichs erster Frauenministerin zu sagen: „Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine „weibliche Zukunft". Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn."