Gewalt gegen ältere Menschen

Im Vergleich zu anderen vulnerablen Gruppen wurde die Gewalt an älteren Menschen erst relativ spät in der wissenschaftlichen Betrachtung aufgegriffen. Erste Veröffentlichungen dazu gab es 1975 in einem britischen Fachjournal (Suhr & Teubner 2020). Ältere und pflegebedürftige Menschen erleben Gewalt im familialen Kontext sowie im Kontext von institutioneller Pflege (Hirsch 2016). Laut der international anerkannten WHO-Definition wird Gewalt gegen ältere Menschen als „eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Fehlen einer angemessenen Handlung, in einer Vertrauensbeziehung wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zufügt wird“ (WHO 2008: 6, eigene Übersetzung) definiert. Gewalt an älteren Menschen umfasst die unterschiedlichsten Formen von Gewalt, u. a. körperliche Gewalt, psychische Misshandlung, Vernachlässigung, finanzielle Ausbeutung, sexueller Missbrauch sowie freiheitsentziehende Maßnahmen (z. B. Einschränkungen der Freiheit, der Handlungs- und Entscheidungsautonomie) (Shuhr & Teubner 2020).

Im institutionellen Kontext gehören Gewalterfahrungen zum Pflegealltag und es scheinen noch zu wenig strukturelle Angebote zur Prävention und zur Aufarbeitung dieser vorhanden (Weidner et al. 2017). In einer Übersichtsarbeit konnte gezeigt werden, dass die Datenlage in Europa zu Gewalt an älteren Menschen sich auf spezifische Gewaltformen konzentriert (Donder et al. 2011). So ist die körperliche Gewalt in allen recherchierten Untersuchungen abgefragt worden, gefolgt von psychischer/emotionaler Gewalt, der finanziellen/ökonomischen Gewalt und der Vernachlässigung. Sexuelle Gewalt und Gewalt bzw. die Verletzung persönlicher Rechte wurden weniger häufig untersucht. Eine aktuelle Studie untersuchte Gewalt gegen ältere Menschen in fünf europäischen Ländern (Belgien, Finnland, Litauen, Portugal und Österreich) und erhob eine Prävalenz von Gewalt gegen ältere Menschen von 30 % (Donder et al. 2016).

Gewalt im pflegerischen Kontext erfolgt nicht nur an den pflegebedürftigen Menschen, sondern auch gegenüber den pflegenden Personen (u. a. Zeh et al. 2010, Weidner et al. 2017, Schnelli et al. 2021).
Eine von sechs Personen (15,7 %) weltweit, die 60 Jahre und älter sind, erlebt zumindest einmal im Jahr Gewalt. Psychische Gewalt betrifft zumindest einmal im Jahr 11,6 %, 6,8 % finanzielle Gewalt, 4,2 % Erleben eine Form der Vernachlässigung, 2,6 % körperliche Gewalt und 0,9 % sexuelle Gewalt (Yon et al. 2017, führten eine Metastudie durch). Auch eine Studie die die WHO für die Erstellung des Weltberichtes über Altern und Gesundheit (2015) in Auftrag gab, kommt auf Prävalenzzahlen innerhalb des letzten Jahres: Physische Gewalt zwischen 0,2 bis 4,9 %, sexuelle Gewalt zwischen 0,04 bis 0,82 %, psychische Gewalt zwischen 0,7 und 6,3 %, finanzielle Gewalt zwischen 1,0 und 9,2 % sowie der Vernachlässigung zwischen 0,2 bis 5,5 % (Pillemer et al. 2016 sowie WHO 2015: 74).

Margarete Dieck legt folgende Definition für Gewalt im Kontext von professioneller und privater Pflege vor: „als eine systematische, nicht einmalige Handlung oder Unterlassung mit dem Ergebnis einer ausgeprägten negativen Einwirkung auf den Adressaten. Eine einmalige Handlung/Unterlassung muss sehr gravierende Negativformen für den Adressaten haben, so sie unter den Begriff der Gewalt subsummiert werden können“.
 

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