Zahlen und Fakten

Das Wissen über Gewalt und die Fakten über Gewalt beruhen zumeist auf Zahlen, die einen Einblick in die erlebte Gewalt von Menschen geben. Bei der Darstellung von allen Gewalthandlungen die Menschen erfahren wird von einem sogenannten Dunkelfeld ausgegangen, also allen Gewalterfahrungen die Menschen machen. Nicht alle gemachten Erfahrungen können erhoben werden. Oft sind Gewalterfahrungen tabuisiert und Menschen sprechen nicht darüber oder bringen diese Gewalthandlungen nicht zur Anzeige, z. B. Gewalthandlungen in der Familie. Oder die erfahrene Gewalthandlung wird als solche nicht von Betroffenen erkannt oder auch nicht zugelassen. Werden Gewalthandlungen aufgedeckt bzw. bekannt spricht man vom sogenannten Hellfeld. Diese Zahlen werden auch Prävalenzen genannt. Aussagen über die Gewalterfahrungen von Menschen können über deren gesamtes Leben getroffen werden, z. B. für das Leben im Alter von 18 bis 70 Jahren (Lebenszeitprävalenz) oder für einen bestimmten Zeitraum, z. B. die Gewalterfahrungen in den letzten 12 Monaten oder den letzten drei Jahren.

Das Hellfeld lässt sich durch unterschiedliche Zugänge beschreiben, allerdings muss betont werden, dass es sich dabei immer um eine Annäherung der Verbreitung von Gewalt in unser Gesellschaft handelt und nie alle Gewalthandlungen aufgedeckt und bekannt werden. Auf der einen Seite stehen offizielle amtliche Statistiken, die aber nur in einem begrenzten Ausmaß Gewalterfahrungen abdecken können, zur Verfügung. Auf der anderen Seite stehen Zahlen auf Basis von Studien zur Verbreitung von Gewalt (Gewaltprävalenz) zur Verfügung, die das Dunkelfeld etwas mehr als die amtlichen Statistiken erhellen können. Allerdings bleibt nach wie vor ein großer grauer Bereich von Gewalterfahrungen, die über genauere Zahlen nicht erfassbar sind. Dies trifft vor allem auf Gewalt in Partnerschaften, Gewalt in der Familie und Gewalt an Kindern zu. Alles Bereiche in denen es häufig zu keinen Meldungen, Anzeigen, Mitteilungen etc. kommt und die Betroffenen dieser Gewalterfahrung häufig alleine mit diesen Gewalterfahrungen sind.

Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE, European Union’s Knowledge Center on Gender Equality) beschreibt die Situation in Bezug auf das unterschiedliche Zahlenmaterial das zu Gewalt an Frauen zur Verfügung steht, anhand einer Abbildung, die deutlich macht, wie das Dunkel- bzw. das Hellfeld bei Zahlen zu Gewalt strukturiert ist (siehe dazu auch Kapella et al. 2011: 40). EIGE verwendet diese Abbildung für die Darstellung von Gewalt an Frauen, diese lässt sich aber auch für das gesamte Zahlenmaterial für z. B. Gewalt an Kindern, Gewalt an Männern, Gewalt an älteren Personen bzw. Gewalt in der Familie anwenden.

Abbildung Daten zu Gewalt
Amtliche Statistiken, Gemeldete Gewalt (behördliche Daten), Offengelegte Gewalt (auf Erhebnug basierende Daten). Tatsächliche Prävalenz und Inzidenz von Gewalt (grauer Bereich).

Quelle: EIGE, deutsche Übersetzung von EPRS | Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, PE 659.333.
 

In Bezug auf offizielle und regelmäßig erscheinende Daten zu Gewalt lassen sich in Österreich folgende Statistiken nennen, die allerdings nicht miteinander verknüpft sind:

  • Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundesministeriums für Inneres (PKS, die sogenannte Anzeigenstatistik).
  • Die Verurteilungs- und Wiederverurteilungsstatisk der Statistik Austria, erstellt für das Bundesministerium für Justiz (die sogenannte Gerichtsstatistik).
  • Die Kinder- und Jugendhilfestatistik, die einen Einblick in die Fälle gibt, in denen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen z. B. von Dritten eine Mitteilung über eine Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe erfolgte oder es nötig war in die Familie einzugreifen und Kinder z. B. fremduntergebracht wurden.
  • Im Sinne des Gewaltschutzes Betretungs- und Annäherungsverbote, die durch die Polizei ausgesprochen werden und vom Bundesministerium für Inneres veröffentlich werden (Gewaltschutz (Innenministerium)). Siehe dazu auch die Datenübersicht der autonomen Frauenhäuser in Österreich.

Neben den offiziellen Statistiken und Zahlen steht eine Reihe wissenschaftlicher Studien zur Verfügung, die unterschiedliche Bereiche der Gewalt und seiner Formen zu erfassen versucht. Allerdings ist die Vergleichbarkeit von Zahlen aus unterschiedlichen Gründen nur bedingt möglich (Shreeves & Prpic 2020, Andresen et al. 2019, EIDE 2019), z. B.

  • keine einheitliche Definition von Gewalt in der Familie, an Frauen, an Kindern, etc. vorliegt.
  • unterschiedliche Methoden der Datensammlung angewendet werden.
  • Definition und Items der verschiedenen Gewaltformen anders formuliert werden und damit schwer vergleichbar sind.

Mit der folgenden Abbildung (Tabellen siehe am Textende) sollen die unterschiedlichen Zugänge, Definitionen, etc. die bei einem Vergleich der Zahlen berücksichtigt werden müssen verdeutlicht werden. Um genaue Aussagen treffen zu können und Datenmaterial richtig interpretieren zu können ist ein vertiefender Blick in den Aufbau und die Formulierung von Fragen nötig. Am Beispiel der sexuellen Gewalt werden unterschiedliche Fragestellungen, Zugänge und unterschiedliche Formulierungen vorgestellt.

3 Studien wurden für die Darstellung herangezogen:

  1. Eine Studie aus Deutschland, die die Sicherheit und Kriminalität im Rahmen eines Viktimisierungssurvey abfragt (Brikel et al. 2022).
  2. Eine österreichische Prävalenzstudie, deren Ziel es war Gewalt in der Familie und im sozialen Nahraum zu erfassen (Kapella et al. 2011).
  3. Eine österreichische Studie, die geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen beleuchtet (Enachescu et al. 2022).
Abbildung der Tabelle groß
Tabelle und Beschreibung steht zum Download als PDF-Dokument am Textende bereit.

Auch wenn die Zahlen nur bedingt einen Einblick in das Dunkelfeld und somit das gesamte Ausmaß an erlebter Gewalt erlauben, werden auf der Webseite immer wieder bei den unterschiedlichen Gruppen die von Gewalt betroffen sind, Prävalenzen genannt, um deutlich zu machen, dass trotz aller Beschränkungen von Zahlen es deutlich wird, wie viele Menschen von Gewalt betroffen sind. Es ist auch zu beachten, dass die Zahlen, die meist nach unterschiedlichen Gewaltformen (körperliche, psychische und sexuelle Gewalt) unterteilt sind nicht deutlich machen, dass die einzelnen Gewaltformen sich gegenseitig nicht ausschließen, d. h. viele Betroffene erleben gleichzeitig mehrere Gewaltformen in Kombination, z. B. körperliche und sexuelle Gewalt oder psychische und körperliche Gewalt (u. a. Demant & Andresen 2022, Kapella et al. 2011).

Referenzen

Dokument zur Abbildung