Psychosoziale Gesprächstechniken in der Gewaltprävention – Gesprächsführung im Kontext von Zwang, Konflikt und Konfrontation

Portrait Nino Willroider

Gewaltberatung – Psychosoziale Beratung im Kontext von Zwang, Konflikt und Konfrontation – Wie reflektierend unterstützende Gesprächstechniken helfen, Klienten beizubringen Konflikte gewaltfrei zu lösen.

Autor: Nino Willroider, BA MA, fachlicher Leiter der Beratungsstelle Männerwelten Salzburg und Berater bei der Beratungsstelle für Gewaltprävention Salzburg; Vater einer 4-jährigen Tochter und eines 24-jährigen Sohnes, gelernter Koch; Studium Politikwissenschaft und Soziale Arbeit

Thema Juli 2025

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Gesprächsführung im Kontext von Zwang, Konflikt und Konfrontation

Viele Klientinnen und Klienten in der Beratung zum Anti-Gewalt-Training oder in der Gewaltprävention sind überrascht, wenn sie offensichtlich nicht in einer disziplinierenden Maßnahme gelandet sind, sondern der Fokus der Beratungsarbeit auf psychosozialer Unterstützungsarbeit liegt. So konstatiert auch Wolfgang Widulle, dass Situationen von Zwang, Konflikt und Konfrontation Beratungsbedingungen darstellen, die für alle beteiligten Personen widrig sind. Sowohl Berater:innen als auch die zu beratenden Personen sind höheren Risiken der Eskalation und/oder emotionalen Belastungen ausgesetzt. Die Grundhaltungen und Vorgehensweisen nicht direktiver Beratungstechniken sind hier in erhöhtem Maße gefordert, sind sie doch für solche Arbeitsbereiche genauso geeignet wie für weniger konfliktreiche Beratungssituationen (vgl. Widulle, 2020: 223f).

So konnte ich in qualitativen Beobachtungen von 3 Beratungen im Zwangskontext in der Beratungsstelle für Gewaltprävention und einer Beratung im Zwangskontext bei der Beratungsstelle Männerwelten – beide in Salzburg – im Jahr 2023 feststellen, dass konfrontierende Techniken bei Beratungen im Zwangskontext nur einen sehr geringen Anteil ausmachen. Vielmehr wird hier vermehrt auf unterstützende, nicht direktive Gesprächstechniken zurückgegriffen (vgl. Willroider, 2023).

In den Beratungen wurde je nach Anlassfall und Bedarf mehr auf den klientenzentrierten (vgl. Rogers 1977), den motivationalen (vgl. Miller/Rollnick 2009) oder den lösungsorientierten Ansatz (vgl. Widulle 2020) zurückgegriffen. Direktiv-Konfrontative Gesprächsführungsmethoden (vgl. Galuske 2011) waren mit maximal 20-Prozent- Anteil am Gesamtumfang der Beratungen vergleichsweise wenig genutzt worden.

Warum ist das so?

Gewaltpräventive Arbeit hat auf der einen Seite die Aufgabe, ein Verantwortungsbewusstsein für die bereits geschehene Gewalt zu schaffen und hier vor allem die gewaltauslösenden Faktoren festzumachen. Hier wird klar gegen bereits geschehene Gewalt Stellung genommen. Andererseits, da die Klientinnen und Klienten oftmals keine klaren Aussagen zu den Indexvorfällen machen, sondern häufig in Rationalisierungen und Erklärungsmustern verhaftet sind, muss hier konfrontativ gearbeitet werden, um ihnen ihre Verantwortung an den geschehenen Taten bewusst zu machen. Damit eine solche Einsicht erreicht werden kann ist es allerdings notwendig, zuvor eine Beratungsbeziehung aufzubauen, um in einem weiteren Schritt mit lösungsorientierten oder motivationalen Methoden eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Dies gestaltet sich ähnlich wie im "Good Lives"-Modell beschrieben wird.

Eine Arbeitsbeziehung kann durch vertrauensbildende Maßnahmen erreicht werden, wie zum Beispiel das Äußern von Verständnis für die allgemeine Überforderung, die zum Gewalteinsatz führte. Auch eine klare Definition von den Beratungsstrukturen und Abgrenzung zu anderen Institutionen kann hier Abhilfe schaffen. Ist das Vertrauen hergestellt, kann erstmals mit den Vorwürfen konfrontiert werden. Dieser Konfrontation folgt jedoch sogleich die Formulierung von Lösungen, wie man mit der vorliegenden oder ähnlichen Situationen besser umgehen kann. Es werden gute Gründe gefunden, warum die Klientinnen und Klienten intrinsisch motiviert an einer Verhaltensänderung arbeiten sollten.

In der Gewaltprävention bewährt haben sich die Gegenüberstellung von Geschlechterrollenbildern, Bewusstseinsarbeit an der Auswirkung von Gewalt, Bewusstseinsarbeit anhand von Modellen wie dem Gewaltkreislauf oder der Eskalationskurve. Vor allem aber kann in der Arbeit mit Klientinnen und Klienten beim Einsatz emotionsfokussierter Modelle (vgl. Greenberg 2006), also lösungsorientierter/motivationaler Methoden, gesteigerte Motivation beobachtet werden. Wir arbeiten hier mit den 7 Basisemotionen nach Paul Ekman (neverest.at) Die Bewusstwerdung von Emotionen, die zur Gewalttat führten sowie eine Anleitung, wie diesen Gefühlen begegnet werden kann, schafft hier ein erstes Interesse für die Bedeutung und Wahrnehmung der eigenen Gefühle. Gearbeitet wird daran, die intrinsische Motivation der Klientinnen und Klienten zu steigern, ihre Gefühle zuzulassen, sich dadurch ihr Verhalten zu erklären und dahingehend zu kommunizieren, um auf Gewalt als Problemlösungsmethode zukünftig verzichten zu können.

In der Männer-/Gewaltberatung erscheint dies insofern dringend gegeben, als traditionelle Geschlechterrollenbilder männliche Eigenwahrnehmung explizit als Schwäche ansahen. Diese Rollenbilder wirken bis in die Gegenwart und werden durch diverse Einflüsse aktuell wieder verstärkt – was dazu führt, dass immer mehr Männer patriarchale Dominanzfantasien leben (Jasser/ Rothermel 2024).

Da durch die Steigerung der intrinsischen Motivation Verhaltensänderungen besser erreicht werden können als durch Konfrontation mit den begangenen Gewalttaten, greift die Gewaltberatung im Zwangskontext neben notwendigen Konfrontationen auf reflektierend-unterstützende Gesprächsführungstechniken zurück.

Quellen/Literatur

  • Galuske, Michael (2011) Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Juventa, Weinheim/ München. 9. Auflage
  • Greenberg, Leslie S., Emotionsfokussierte Therapie, dgvt-Verlag
  • Jasser, G., Rothermel, AK. (2024). Die Manosphere: Männlichkeit(en), Misogynie und Rechtsextremismus. In: Virchow, F., Hoffstadt, A., Heß, C., Häusler, A. (eds) Handbuch Rechtsextremismus. Springer VS, Wiesbaden.
  • Miller, William/ Rollnick, Steven (2009) Motivierende Gesprächsführung. Lambertus Verlag, Freiburg. 3. Auflage
  • Widulle, Wolfgang (2020) Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit. Grundlagen und Gestaltungswissen. Springer Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. 3. Auflage

Graue Literatur:

  • Willroider, Nino (2023) Gewaltpräventionsberatung, aber wie? Welche Gesprächstechniken werden in der gewaltpräventiven Arbeit angewandt und warum? Eine Analyse angewandter Beratungstechniken in der Gewaltpräventionsberatung. Bachelorarbeit 2 zur Erlangung des Bachelor of Arts "Soziale Arbeit" an der Fachhochschule Salzburg.

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