Zeuginnen und Zeugen

Wer muss als „Zeuge“ aussagen? Gibt es Ausnahmen?

Die Aussagen von Zeugen/Zeuginnen, also von Personen, die die Straftat gesehen, gehört oder sonst Wahrnehmungen dazu haben, sind für das Strafverfahren von großer Bedeutung. Auch das Opfer gilt grundsätzlich als Zeuge/Zugin. Ihm:ihr kommen aber mehr Rechte zu als anderen Zeug:innen.

Wird man als Zeug:in geladen, ist man grundsätzlich dazu verpflichtet zu der angegebenen Zeit bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht zu erscheinen. Dort muss man die Fragen, die die Behörden stellen, richtig und vollständig beantworten, soweit man dazu in der Lage ist. Zeugen/Zeuginnen unterliegen somit einer Wahrheitspflicht (anders als Beschuldigte). Durch eine falsche Aussage kann man sich unter Umständen selbst strafbar machen. Erscheint man trotz Ladung nicht zu dem vorgegebenen Termin, kann dies unter gewissen Umständen dazu führen, dass man durch die Polizei vorgeführt wird oder eine Geldstrafe bekommt. Ist man an dem angegebenen Termin verhindert, muss dies so bald wie möglich der ladenden Stelle mitgeteilt werden. Nicht jeder Verhinderungsgrund ist eine ausreichende Berechtigung, nicht zu erscheinen. Das wird im Einzelfall entschieden.

Das Strafprozessrecht sieht verschiedene Ausnahmen von der Verpflichtung vor, als Zeug:in auszusagen. Diese können entweder aufgrund einer besonderen Beziehung zum:zur Beschuldigten bestehen, aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen oder aufgrund einer besonderen Belastung als Opfer, wobei für diese Fälle alternative Möglichkeiten der Vernehmung vorgesehen sind. Die betroffenen Personen müssen über die Möglichkeit, keine Aussage zu machen, ausreichend informiert werden.

So muss einerseits niemand gegen eine:n Angehörige:n aussagen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn sich eine erwachsene Person als Privatbeteiligte:r dem Verfahren angeschlossen hat. In diesem Fall ist er:sie zu einer Aussage als Zeug:in schon verpflichtet. Auch kann niemand gezwungen werden, sich durch eine Aussage selbst zu belasten. Wäre das der Fall, kann man daher auch die Aussage verweigern.

Berufsgruppen, die keine Verpflichtung einer Aussage trifft, sind beispielsweise Psychiater:innen, Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Mediator:innen, Rechtsanwält:innen oder Mitarbeiter:innen von Medienunternehmen. Es geht immer um Inhalte, die das besonders vertrauensvolle Verhältnis zu Patient:innen, Klient:innen oder das Redaktionsgeheimnis betreffen. Außerdem sind Geistliche und Beamt:innen umfasst hinsichtlich jener Informationen, die dem Beichtgeheimnis bzw der Amtsverschwiegenheit unterliegen.

Schließlich gibt es verschiedene Möglichkeiten für Opfer von Straftaten, auf besonders schonende Weise vernommen zu werden, die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern oder auf andere Weise davor geschützt zu werden, durch das Strafverfahren besonderen Belastungen ausgesetzt zu werden. (siehe Welche Möglichkeiten des Schutzes gibt es für Opfer, die als Zeug:innen aussagen müssen?)

Wie läuft die Vernehmung von Zeugen/Zeuginnen ab?

Im Ermittlungsverfahren erfolgt die Vernehmung in der Regel durch die Polizei. Zeugen/Zeuginnen werden einzeln befragt, andere Verfahrensbeteiligte sind meistens nicht anwesend. Zur Unterstützung des:der Zeugen/Zeuging kann eine Vertrauensperson an dem Gespräch teilnehmen. Allerdings darf es sich dabei nicht um jemanden handeln, der:die der Straftat verdächtigt wird, selbst Zeug:in ist oder durch die Teilnahme an der Vernehmung die freie und vollständige Aussage des:der Zeug:in beeinflussen könnte. Vertrauenspersonen sind zur Verschwiegenheit über den Inhalt des Gesprächs verpflichtet.

Besondere Vorschriften und Schutzmöglichkeiten bestehen für die polizeiliche Einvernahme von Kindern und Jugendlichen, insbesondere bei unter 14 Jahre alten Opfern von Sexualdelikten oder Kindesmisshandlungen. Hier werden in der Regel besonders geschulte Kriminalbeamt:innen tätig, die teilweise über dazu speziell eingerichtete (auch kindgerechte) Befragungszimmer verfügen. Siehe außerdem die Möglichkeit einer kontradiktorischen Vernehmung (Welche Möglichkeiten des Schutzes gibt es für Opfer, die als Zeugen/Zeuginnen aussagen müssen?).

In der Hauptverhandlung findet die Vernehmung grundsätzlich im Rahmen des Prozesses statt. Zeugen/Zeuginnen werden auch hier einzeln vernommen. Alle Verfahrensbeteiligten (Richter:in, Staatsanwält:in, Angeklagte:r, Verteidigung, Vertretung des Opfers etc) sind anwesend (Ausnahme siehe Welche Möglichkeiten des Schutzes gibt es für Opfer, die als Zeugen/Zeuginnen aussagen müssen?). Der:die Richter:in beginnt mit der Befragung, danach haben auch die anderen Verfahrensbeteiligten das Recht, den Zeug:innen Fragen zu stellen. Unzulässige und unangemessene Fragen können durch den:die Richter:in untersagt werden.

Welche Möglichkeiten des Schutzes gibt es für Opfer, die als Zeugen/Zeuginnen aussagen müssen?

Eine Befragung durch die Polizei oder das Gericht kann für ein Opfer belastend sein, vor allem dann, wenn es um sehr intime und private Vorgänge (wie z. B. einen sexuellen Übergriff) geht. Auch das Zusammentreffen mit dem:der Täter:in im Rahmen des Verfahrens kann eine Belastung für Opfer darstellen. Die Strafprozessordnung sieht daher verschiedene Möglichkeiten vor, wie die Verpflichtung des Opfers zu einer Aussage möglichst schonend umgesetzt werden kann.

So gibt es einerseits im Rahmen der Hauptverhandlung die Möglichkeit, dass der:die Angeklagte während der Vernehmung des Opfers den Saal verlässt, damit es kein direktes Zusammentreffen gibt. Manchmal hält sich der:die Angeklagte dann in einem Nebenraum auf, so dass er:sie nicht gesehen werden kann, aber dennoch hört, was gesagt wird. Nach der Rückkehr in den Saal (nach Abschluss der Vernehmung) muss der:die Angeklagte durch den:die Richter:in darüber informiert werden, was das Opfer ausgesagt hat.

Grundsätzlich werden Strafverfahren öffentlich geführt, das bedeutet, dass während einer Hauptverhandlung Personen im Publikum sitzen und zuhören können, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind. Da die Anwesenheit fremder Personen im Rahmen mancher Vernehmungen eine große Belastung darstellen kann, gibt es die Möglichkeit, dass das Publikum während eines Teils der Verhandlung den Saal verlassen muss. Das kann der Fall sein, wenn ein Opfer über sein Erleben befragt wird und es sich dabei um höchstpersönliche, private Details handelt. Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann entweder durch das Gericht direkt vorgenommen werden oder durch das Opfer oder seine Vertretung beantragt werden. In einem solchen Fall bleiben nur die Verfahrensbeteiligten im Saal, außerdem kann der:die Angeklagte sowie das Opfer verlangen, dass bis zu drei Vertrauenspersonen ebenfalls im Raum bleiben.

Grundsätzlich sind Opfer zu einer wahren und vollständigen Aussage verpflichtet. Es gibt aber die Möglichkeit, dass sie die Beantwortung einzelner Fragen verweigern. Das gilt vor allem dann, wenn jemand Opfer eines Sexualdelikts geworden ist und dazu Einzelheiten bekannt geben sollte oder wenn die Frage sonst auf den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person abzielt. Allerdings gilt dieses Verweigerungsrecht nicht absolut. Wenn es für das Strafverfahren unerlässlich ist, dass die Person die Frage beantwortet, darf dies nicht verweigert werden. Hier geht es um Situationen, in denen eine Aufklärung der Straftat ohne diese Aussage nicht möglich wäre.

Schließlich besteht für besonders belastete oder schutzbedürftige Opfer die Möglichkeit der sogenannten kontradiktorischen Vernehmung. Diese verfolgt mehrere Ziele. So soll einerseits verhindert werden, dass das Opfer mit dem:der Täter:in im Rahmen des Gerichtsverfahrens zusammentreffen muss. Außerdem zielt diese Form der Vernehmung darauf ab, dass das Opfer im Laufe des Verfahrens nicht mehrfach aussagen muss (im Ermittlungs- und im Hauptverfahren), sondern lediglich einmal eine Aussage machen muss und dies noch dazu nicht unter Anwesenheit aller Prozessparteien.

Bei einer kontradiktorischen Vernehmung wird das Opfer entweder durch eine:n Richter:in oder durch eine:n Sachverständige:n (z. B. eine:n Psycholog:in) einvernommen. Die anderen Prozessparteien (v.a. die Staatsanwaltschaft, der:die Beschuldigte bzw die Verteidigung) befinden sich nicht im selben Raum, sondern können durch Video- und Audioübertragung dem Gespräch folgen. Der:die Richter:in bzw der:die Sachverständige stellt zuerst selbst Fragen an das Opfer, danach haben die anderen Prozessparteien die Möglichkeit, dem:der Richter:in bzw dem:der Sachverständigen ihre Fragen mitzuteilen, die dann an das Opfer weitergegeben werden. Dadurch werden einerseits wichtige Fragerechte sichergestellt, andererseits wird dies in einer für das Opfer möglichst schonenden Art und Weise durchgeführt. In der Praxis wird die Vernehmung oft in Ton und Bild aufgezeichnet. Hat eine solche Form der Vernehmung stattgefunden, muss das Opfer nicht in der Hauptverhandlung erneut aussagen, sondern es genügt, wenn das Video abgespielt bzw das Protokoll verlesen wird.

Eine solche Art der Vernehmung muss durchgeführt werden, wenn es sich bei dem Opfer um eine Person handelt, die zum Zeitpunkt der Vernehmung noch nicht 18 Jahre alt ist und Opfer eines Sexualdelikts geworden ist. In diesem Fall braucht es keinen besonderen Antrag für eine kontradiktorische Vernehmung. In anderen Fällen braucht es einen Antrag entweder durch das Opfer bzw seine Vertretung oder durch die Staatsanwaltschaft, damit die Vernehmung auf diese Weise durchgeführt werden kann. Das ist z. B. der Fall bei Opfern von Sexualdelikten über 18 Jahren oder bei minderjährigen Opfern anderer Delikte.