Von der Eskalation zur Kooperation: Zur Beratung getrennter/geschiedener Eltern – Elternberatung in der Beratungsstelle für Paare und Familien
Im Zuge von Trennungen bemerken viele Eltern, dass ihre Kinder darunter leiden. Das ist einer der Gründe, aus dem sie sich in unserer Beratungsstelle für Paare und Familien (kurz BPF) anmelden. Die BPF ist eine Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Kreisverband Wesel e.V. in Rheinberg, NRW. In den Themen des Monats vom Juli 2024 wurde bereits das Kindergruppen-Angebot der BPF genauer beschrieben.
Im aktuellen Beitrag reflektiere ich Erfahrungen aus der Beratungspraxis. Um eskalierte Auseinandersetzungen zu beruhigen und um gewaltvolle Verhaltensweisen zu verhindern: Wie können Eltern in der Beratung oder Mediation dabei unterstützt werden, ihre Kommunikation zu verbessern und gemeinsam Lösungen zum Wohl ihrer Kinder zu erarbeiten?
Autorin: Mag.a Dr.in Annemarie Schweighofer-Brauer; Mitarbeiterin beim AWO Kreisverband Wesel e.V. in der Beratungsstelle für Paare und Familien (Deutschland); Honorarkraft des Instituts für gesellschaftswissenschaftliche Forschung, Bildung und Information (FBI) (Österreich); freiberufliche Erwachsenenbildnerin; Studium der Geschichte und Politikwissenschaft, Diplom in TZI; HPP; Gestalttherapie
Thema Jänner 2026
Trennung: Ein emotionaler Ausnahmezustand für Eltern und Kinder
Während Trennungen erleben Menschen sich häufig enttäuscht, gedemütigt, abgewertet, ängstlich, existenziell verunsichert, verzweifelt, wütend, hasserfüllt und misstrauisch. In manchen Fällen wird dann zu körperlich und psychisch gewalttätigen Verhaltensweisen gegriffen, um sich – aus ihrer Sicht – zu wehren; oder, um sich zu rächen. Sie beschimpfen, beleidigen sich und entwerten sich gegenseitig. Sie bedrohen sich und schädigen sich emotional, wirtschaftlich, sozial und auch körperlich.
Auch in weniger eskalierten Auseinandersetzungen verfangen sich getrennte Eltern phasenweise in gegenseitigen Vorwürfen, in Schuldzuweisungen und Misstrauen. Ihre Kinder leiden dann. Sie berichten in der Kindergruppe und in der Einzelberatung von Kopfweh, Bauchweh, Verwirrung, großer Verunsicherung, von ihren zermürbenden Loyalitätskonflikten, von der Angst, verlassen zu werden und vom Verlassenheitsweh. "Wenn ich bei Papa bin, ist Mama traurig. Wenn ich bei Mama bin, ist Papa traurig." Unbelastet Kindsein ist mit einer derartigen Bürde schwer möglich.
Elternteile im kognitiven Tunnel während emotionaler Ausnahmezustände tun sich schwer, ihre Kinder adäquat wahrzunehmen; Elternteile, die in unerbittliche Kämpfe mit dem anderen Elternteil verstrickt sind, ganz besonders. Dasselbe gilt aber auch für Väter und Mütter, deren Wahrnehmungsfähigkeit durch starke Schuldgefühle ihren Kindern gegenüber beeinträchtigt ist. Die wirklichen Nöte der Kinder werden nicht mehr erspürt, gehört, gesehen, sie werden geleugnet, rationalisiert, zurecht gedacht und geredet oder einzig und allein mit dem "böswilligen" Verhalten des "gegnerischen Elternteils" erklärt, der entsprechend zur Rechenschaft gezogen wird.
In der Regel fangen Kinder dann an, für ihre Eltern zu sorgen, ihre Eltern (voreinander) zu schützen, eigene Bedürfnisse, Wünsche und ihren authentischen Selbstausdruck zu unterdrücken, um den Konflikt der Eltern nicht zu befeuern. Sie kümmern sich um das Leid der Eltern, werden zu deren emotionalen Versorger:innen. Sie verzichten auf ihr Kinder- oder Jugendleben, damit die Eltern nicht traurig sind. In manchen Fällen trennen sich Kinder bzw. Jugendliche von einem Elternteil, um die komplizierte, schmerzhafte Situation für sich handhabbarer zu machen. Sie ergreifen entweder die Partei des Elternteils, der als das Opfer wahrgenommen wird oder des Elternteils, der in der unsicheren Situation mehr Halt und Schutz bieten kann.
Eltern brauchen Kenntnisse von solchen potentiellen Dynamiken, um die Kinder zu schützen, zu unterstützen und gut durch die Trennungszeit zu begleiten. Sie brauchen Selbstreflexionsfähigkeit, um destruktive Muster zu erkennen und zu lösen. Sie brauchen Durchhaltevermögen, Fehlerfreundlichkeit und Veränderungsmotivation, um zielführende und heilsame Verhaltensweisen zu erlernen und zu verinnerlichen.
Deeskalation und Wiedererlangen der Kooperationsfähigkeit
Die Beratung in unserer Beratungsstelle orientiert sich zwar an einer idealtypischen Vorgangsweise, die jedoch individuell an die emotionalen Zustände, Bedürfnisse und Besonderheiten der Menschen und die Konfliktlage angepasst wird. Auch wenn Konfliktmuster, Konfliktthemen, eskalierende Verhaltensweisen immer wieder in ähnlicher Weise vorkommen, ist doch jede Persönlichkeit, jede durchlebte Beziehungs- und Trennungsgeschichte einzigartig.
Dies erfordert von der Beratungsperson, sowohl die Lösungsanliegen fokussiert im Auge zu behalten, als auch schwebend aufmerksam zu bleiben für das, was auch noch gesehen, gehört und dann in die Zielerarbeitung eingebunden werden will. Die Beratenden brauchen selbstregulative Fähigkeiten, ein methodologisches und konzeptionelles Gerüst und ein Repertoire an Methoden, das je nachdem, wo Klientinnen und Klienten andocken können, kreativ variiert werden kann.
Beratungsprozesse
Beratungsprozesse folgen den Anliegen und Zielen, die die Klientinnen und Klienten zu Beginn ausarbeiten. Es lässt sich jedoch nicht von vornherein festlegen, welche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen, um die Erarbeitung zielgerichtet angehen zu können; und welche Hindernisse entlang des Weges noch auftauchen; auch nicht, welche weiteren Anliegen und Themen hinzu- oder nachkommen. Die Kunst besteht darin, die Hindernisse für den weiteren Prozess zu nutzen; etwa dadurch, dass die Klientinnen und Klienten durch die Ergründung der Hindernisse ihre hakelige Kommunikation besser verstehen und verändern lernen. Beratungsprozesse gestalten sich unterschiedlich lang und intensiv. Die Anzahl der Termine und die Intervalle zwischen den Terminen folgen den Erfordernissen (und den zeitlichen Möglichkeiten der Beratungsstelle): manche Eltern kommen nur einmal, um Informationen zu Trennung/Scheidung zu erhalten und zu ordnen; oder um etwas Sicherheit zur Frage "Wie sagen wir es unseren Kindern?" zu gewinnen. Andere kommen ein paarmal, weitere kommen ein, zwei oder drei Jahre lang, zunächst in kürzeren Abständen, bis die wichtigsten Themen behandelt und Absprachen dazu getroffen sind. Danach kommen sie in längeren Intervallen (z. B. einmal jährlich), etwa um das bevorstehende Jahr mit den Kindern zu strukturieren oder um mit Mediationsunterstützung umstrittene Entscheidungen für die Kinder zu besprechen.
Handlungsausrichtungen in der Beratung
Im Folgenden biete ich eine "Einteilung" für Beratungsprozesse an. Dabei lege ich das Augenmerk auf die jeweilige beraterische Handlungsausrichtung: Was wollen/sollen die beraterischen Überlegungen, Entscheidungen und Interventionen gerade ermöglichen, welche Prozessqualität sollen sie hervorbringen? Das Handeln richtet sich entsprechend der hier angebotenen Einteilung auf folgende Prozessqualitäten: Auswickeln – gestalten – pflegen – lösen (Dieses Konzept finden Sie in einem anderen Kontext genauer erklärt: Handbuch "Im Kontakt mit mir und der Welt, zuversichtlich erwachsen werden" [1]).
Auswickeln
Auswickeln als beraterische Handlungsausrichtung meint hier, das gemeinsame Arbeitsfeld mit den Klientinnen und Klienten aufzuschnüren, aufzubereiten, quasi "auszuwickeln". Es wird Raum gegeben, um die Anliegen, mit denen die Menschen in die Beratung kommen, im Kontext ihrer Problematik auszubreiten.
Immer wieder – so auch an dieser Stelle – wird darauf hingewiesen, dass die Paargeschichte nur soweit relevant ist, als dies der Erarbeitung einer Kooperation auf Elternebene dienlich sein kann. Die Eltern beschreiben ihre Konflikte miteinander und ihre jeweiligen (oft gegensätzlichen) Versionen zu deren Entstehung.
Um den gemeinsamen Beratungsbeginn von der Kampfstimmung, die sich beim gegenseitigen Nicht-wirklich-Zuhören aufbaut, zu entlasten, werden in manchen Fällen zunächst beiden Elternteilen vertrauliche Einzelsitzungen für ein entlastendes Gespräch angeboten.
Dennoch beginnen die gemeinsamen Sitzungen häufig mit gegenseitigen Vorwürfen, Zuschreibungen und Misstrauen – anhand derer "ausgewickelt" wird. Die Beraterin hört genau zu, validiert die Gefühls- und Bedürfnisinhalte bzw. destilliert diese aus den Erzählungen der Klientinnen und Klienten. Sie ordnet dysfunktional erscheinende Verhaltensweisen in der Trennungssituation psychoedukativ als Überlebens- und Bewältigungsstrategien ein, die das Ruder übernehmen, um in bedrohlichen, schmerzhaften, schockierenden Situationen das Überleben zu sichern. Die Beraterin bietet auch kulturell-historische, sozioökonomische Einordnungen an, um die oft als Scheitern oder Versagen erlebte Trennung zu "normalisieren"; z. B., dass etwa die Existenzsicherung von Kleinfamilien unter den Bedingungen unserer Welt oft in großen Stress, Druck, Zeitmangel ausartet und dass sozialisierte Geschlechterverhältnisse zu grundlegenden Missverständnissen zwischen Männern und Frauen führen können.
Dieses Auswickeln nimmt meist einen Großteil der ersten Sitzung in Anspruch und wird vor jedem neu eingebrachten Thema, Problem oder Lösungsanliegen zumindest in kurzer Form nötig sein. Wenn zu Beginn des Beratungsprozesses wesentliche Dinge sich zeigen und geklärt werden konnten, nimmt das weitere Auswickeln danach erfahrungsgemäß weniger Zeit in Anspruch, weil sich an das initial Geklärte anknüpfen lässt.
Ziel ist es, eine Arbeitsfähigkeit auf Elternebene herzustellen.
Die Ausgangsfrage für die Auswickelphase ist: Mit welchen Anliegen sind Sie hier, woran möchten Sie arbeiten, wofür möchten Sie Lösungen finden? Diese können beispielsweise von den Klientinnen und Klienten auf Moderationskärtchen geschrieben, angeordnet und priorisiert werden.
Oft blitzen dann kooperative Momente und Aushandlungen beim Sortieren und Umsortieren auf. Die sortierten Kärtchen ergeben ein Bezugssystem für die Beratung, zumindest für den Einstieg: Wie werden die Themen ins Verhältnis zueinander gesetzt, einander zugeordnet, unter Überschriften gestellt? Welche passen zusammen, greifen ineinander? Welche liegen einzeln?
Die nächste Frage ist: Mit welchem Thema möchten Sie beginnen?
Die Priorisierung erfordert den nächsten gemeinsamen Erarbeitungs- oder Einigungsschritt.
Danach sollte der Einstieg in die erste Gestaltungsphase möglich sein.
Gestalten
Wenn die Situation, die Problematik, die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interpretationen "ausgewickelt" und die Anliegen, die Arbeitsthemen gesammelt wurden, beginnt eine kreative Phase – Wünsche werden geäußert, wie ein Problem oder eine gemeinsame Anforderung gelöst werden soll, Ideen dazu werden entwickelt, bereits Erprobtes wird neu kombiniert. Es geht darum, das Leben als getrennte Eltern so zu "gestalten", dass die Kinder weiterhin möglichst unbelastet Kinder sein können, dass sie ihrem Alter gemäß leben, entdecken, lernen, geborgen, beschützt, bedürftig und mutig sein.
Damit verbindet sich häufig auch eine Veränderung von Sicht- und Verhaltensweisen der Eltern.
Die Gestaltungsanforderungen können weniger oder mehr Konfliktstoff beinhalten. Beispielsweise kann es darum gehen, mit Hilfe der Flipchart sachlich Regelungen für Weihnachten, Ostern, Geburtstage und Feiertage des kommenden Jahres abzusprechen. Oder aber es soll eine mitunter höchst kontroverse Entscheidung zur Anmeldung auf eine weiterführende Schule für ein Kind fallen. Im zweiteren Fall hat die Beraterin parallel zur Flipchart-Visualisierung die Aufgabe, den Konflikt im Ernstfall deeskalierend zu moderieren. Eskalierende Streitgespräche muss die Beraterin mit Fingerspitzengefühl, aber zugleich sehr bestimmt unterbrechen, sowie Hilfestellung zur Selbstregulierung geben (z. B. ein Glas Wasser trinken, das Fenster öffnen, atmen, kurz um den Block laufen).
Das kann folgendermaßen gemacht werden: Deutlich und bestimmt: "Ich unterbreche Sie hier jetzt." Oder sachlich: "Dieses Ping Pong hatten Sie in ihrer Paarbeziehung und Sie konnten damit keine Einigungen finden und sich gegenseitig nicht überzeugen. Es kostet Sie viel Energie und ändert nichts." Die Zurückleitung zum Arbeitsthema geschieht etwa, indem die Beraterin das Thema wieder einbringt und den sachlichen Inhalt des bislang Erarbeiteten zusammenfasst; die offenen Fragen benennt.
Die Ausbrüche der Eltern werden auf diese Weise "normalisiert", die Energie wird umgeleitet auf die Arbeit. Die Botschaft ist: Es ist menschlich und normal, sich im Bedrohungsgefühl so zu verhalten und sie haben das so eingeübt. Sie haben aber die Erfahrung gemacht, dass es nichts bringt, weder lösen sie damit die Aufgabe, noch überzeugen sie einander davon, falsch zu liegen oder schuld zu sein. Also verwenden wir die Energie besser damit, eine Lösung zu finden.
Für die gemeinsame bzw. abgestimmte Sorgetätigkeit für die Kinder nach der Trennung oder Scheidung gilt es, Fähigkeiten zu erarbeitet, die auf der Paarebene eventuell nicht mehr vorhanden waren und die daher für die Gestaltung des Zusammenlebens kaum zur Verfügung standen.
- Kommunikationsfähigkeit: Tatsächlich benennen fast alle Eltern, die in die Beratung kommen – egal ob vom Gericht geschickt oder eigenmotiviert – als Anliegen, ihre Kommunikation verbessern zu wollen. Die Beraterin übt mit den Eltern, sich gegenseitig zuzuhören, nachzufragen, wenn etwas nicht verstanden wird, anstatt die eigenen Zuschreibungen einander als Tatsache zurückzuwerfen. Die Beraterin fragt immer wieder stellvertretend nach. Sie fasst zusammen, was sie verstanden hat und überprüft, ob das so stimmt. Sie weist auf Missverständnisse, Unterstellungen, Zuschreibungen hin. Sie initiiert eine genaue Analyse von Situationen mit dem jeweils anderen Elternteil, die z. B. die Kinder erzählt haben. Elternteile in Wut und Misstrauen gegenüber dem anderen Elternteil greifen solche Erzählungen der Kinder oft eins zu eins auf, stellen nicht in Rechnung, dass Kinder auf Kinderart wahrnehmen und erzählen und in den elterlichen Konflikt verfangen sind. Die Beraterin übt mit den Eltern, zugleich versachlichend und freundlich zu kommunizieren. Das heißt, die Wahrnehmungen beider Seiten zu klären und abzugleichen, den Interpretationsgehalt und den Sachverhalt herauszufiltern und voneinander zu trennen. Diese Kommunikationsformen sind zu entwickeln, zu gestalten und einzuüben.
- Es braucht Verhandlungsfähigkeit. Das heißt, wenn es nicht möglich ist, sich direkt auf Lösungen zu einigen, muss verhandelt werden, es müssen Zwischenlösungen, Kompromisse gefunden werden. Z. B. ein Elternteil will während der Umgangszeit des anderen Elternteils die Kinder zu einer Feier mitnehmen. Der andere Elternteil will keine Kürzung seiner Umgangszeit. Ein Kompromiss wäre etwa ein Zeitkonto, auf dem solche abgezogenen Zeiten gutgeschrieben werden. Solche Verhandlungsergebnisse werden auf Flipchart festgehalten, fotografiert und mitgenommen; eventuell sogar am Flipchart unterschrieben. Die Beraterin als Vermittlerin bringt Ideen zur Kompromissfindung ein, auf die die Parteien im Moment aufgrund des argwöhnischen Tunnelblicks, sich ja nicht übervorteilen zu lassen, nicht kommen.
Wurden Lösungen erarbeitet oder verhandelt, die für die Beteiligten schwer zu akzeptieren sind, empfiehlt es sich, anzuregen, nochmal darüber zu schlafen und bei der nächsten Sitzung zu entscheiden. Lösungen, zu denen Menschen sich gedrängt oder von denen sie sich übervorteilt fühlen, werden oft nicht eingehalten.
Pflegen
Beim nächsten Termin fragt die Beraterin: "Wie ist es Ihnen mit der Lösung, mit der Umsetzung gegangen?" Diese Frage kann gegenseitige Kritik zur Folge haben oder Lob und Zufriedenheit. Die Kritik erfordert eine neue Exploration und eventuelles Nachjustieren. Das Lob wirkt – hoffentlich – wohltuend. Und damit sind wir beim Aspekt des Pflegens, darum, gut zu nutzen und zu erhalten, was sich bewährt
Wenn Lösungen gefunden wurden, wird in der Beratung auf die Notwendigkeit hingewiesen, das Gestaltete, das Erreichte zu "pflegen". Dies kann etwa in Form einer Evaluation geschehen: Wie ging es den Kindern bei der Umsetzung einer Lösung? Was haben die Eltern beobachtet? Was ist in der Elternkommunikation mehr oder weniger gelungen? Was soll verbessert werden?
Pflegen heißt, das Positive, Bestehende zu erhalten. Es erfordert eine gewisse Disziplin und Aufmerksamkeit. Es erfordert auch, die dafür notwendigen Verhaltens- und Handlungsweisen zu trainieren, diese bis zu einem gewissen Grad zu automatisieren (z. B. jeden Freitag, bevor die Kinder zum anderen Elternteil wechseln, diesem in einer E-Mail kurz darzustellen, was für die Kinder gerade wichtig ist, welche Termine, Schularbeiten oder ähnliches anstehen).
Zum Pflegen gehört, immer wieder zu reflektieren, was sich in der Kommunikation auf Elternebene, im Konfliktverhalten verändert hat, sich das bewusst zu machen und sich dafür zu loben.
Pflegen heißt weiter,
- In der Beratung eine angenehme Atmosphäre anzubieten; erst mal anzukommen, einen adäquaten räumlichen Abstand zwischen den Teilnehmenden anzubieten; Wasser hinzustellen etc.;
- in der Beratungssituation die anwesenden Eltern bei emotionaler Aufgewühltheit durch Angebote zur Selbstregulation und durch Co-Regulation zu unterstützen; bei Traurigkeit und Tränen, diese da sein zu lassen und wertzuschätzen; auf Zeit und Struktur der Beratung zu achten, die Erschöpfung der Menschen in diesen emotional anstrengenden Erarbeitungen wahrzunehmen, diese anzusprechen und die Sitzung dann ausklingen zu lassen;
- das neu Gelernte in der Kommunikation zu üben, zu wiederholen, zu verfeinern, damit es zur Gewohnheit wird und das auch während der Beratung zu machen.
- Für die Klientinnen und Klienten heißt Pflegen, Absprachen einzuhalten; falls die Situation sich verändert neue Absprachen im ruhigen Modus (nicht eskalierend) angehen.
- Nicht zuletzt gehört zum Pflegeaspekt die Selbstfürsorge der Beratungsperson.
Lösen
"Lösen" bezieht sich auf die Schritte hin zur Neuorientierung. Kleine Lösungserlebnisse und Mikroneuorientierungen geschehen laufend während des Auswickelns, Gestaltens und Pflegens. Es lösen sich (manchmal nur für einen Moment) eingefahrene Verhaltensgewohnheiten in Konflikten und in Eskalationsdynamiken. Lösungen werden emotional und gedanklich wahrgenommen oder sie stehen schwarz auf weiß auf dem Flipchart. Am Ende jeder Sitzung wird das gemeinsame Setting aufgelöst. Zur Ergebnissicherung wird dann etwa gefragt: Was war heute wichtig für Sie? Was nehmen Sie mit? Was wird sie weiter beschäftigen? Die Beraterin notiert dies zur Vorbereitung einer eventuellen nächsten Zusammenkunft.
Als eigendynamische Phase ist das Lösen gegen Ende eines Beratungsprozesses wahrnehmbar, wenn kognitiv rekapituliert wird, was dazugewonnen wurde, was sich verändert hat, woran weitergearbeitet werden soll; wenn sich Freude auf das Neue, Wehmut über das, was jetzt aufhört, einstellen, wenn die Motivation sich bemerkbar macht, eigenständig weiterzugehen. Die Perspektiven und Vorhaben werden besprochen. Als Sicherheitsnetz bietet die Beraterin an, dass die Eltern bei Bedarf wiederkommen.
Lösen ist auch ein fortgesetztes Bemühen der beratenden Person, eigene Hypothesen, Konzepte und Vermutungen zu den Klientinnen und Klienten und ihrer Situation zu hinterfragen und sich von ihnen zu trennen; thematisch und methodisch für eine Sitzung loszulassen und das aufzugreifen, was bei den Menschen gerade obenauf liegt.
Quelle und Literatur
- [1] Handbuch "Im Kontakt mit mir und der Welt, zuversichtlich erwachsen werden"
- Hötker-Ponath, Gisela (20182): Trennung und Scheidung – prozessbegleitende Intervention in Beratung und Therapie, Klett-Cotta
- Holdt, Sabine/Schönherr, Marcus (2025): Lösungsorientierte Beratung mit getrennten Eltern, Klett-Cotta
- Lassenberger, Adele u.a. (Hg. Die Österreichischen Kinderschutzzentren) 2023: Wie Hund und Katz. Kinder im Schatten hochstrittiger Eltern Kinderbuch “Wie Hund und Katz” - Kinderschutzzentren
- Oud, Pauline (2022): Mama und Papa trennen sich – und ich? Coppenrath Verlag: Münster, Kita, Grundschule?
- Rafi, Anusheh (2012): Der Weg zur gemeinsamen Ent-Scheidung. Besonderheiten der Trennungs- und Scheidungsmediation, Leutner